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Urteil Obergericht (LU)

Zusammenfassung des Urteils 2C 11 31: Obergericht

Die Cour des poursuites et faillites des Kantonsgerichts behandelt einen Rechtsstreit zwischen dem Kanton Waadt, Service des automobiles et de la navigation, und G.________ aus Aigle. Es geht um ausstehende Zahlungen für die Kfz-Steuer. Der Juge de paix hat entschieden, dass der Einspruch teilweise aufgehoben wird und die Kosten dem Kläger auferlegt werden. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt. Das Gericht bestätigt die Entscheidung des Juge de paix und weist die Kosten dem Kläger zu.

Urteilsdetails des Kantongerichts 2C 11 31

Kanton:LU
Fallnummer:2C 11 31
Instanz:Obergericht
Abteilung:2. Abteilung
Obergericht Entscheid 2C 11 31 vom 29.08.2011 (LU)
Datum:29.08.2011
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Art. 69 und 80 SchKG. Keine Nichtigkeit des Zahlungsbefehls, wenn darin die Periode für die in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge nicht angegeben ist. Für die Verrechnung im Rahmen der definitiven Rechtsöffnung genügt es nicht, wenn der Schuldner urkundlich belegt, dass er mehr bezahlt hat, als wozu er verpflichtet gewesen wäre.
Schlagwörter : Recht; Zahlung; Rechtsöffnung; Zahlungsbefehl; Betreibung; Gesuch; Gesuchsgegner; Vorinstanz; Zahlungen; Forderung; Rechtsmissbrauch; Nichtigkeit; Einwand; Rechtsmissbrauchs; SchKG; Zahlungsbefehls; Unterhaltsbeiträge; Schuldner; Obergericht; Betreibungsbegehren; Forderung; Periode; Basler; Rechtsöffnungsrichter; Unterhaltszahlungen
Rechtsnorm:Art. 69 KG ;Art. 81 KG ;Art. 84 KG ;
Referenz BGE:115 III 97; 129 III 493;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts 2C 11 31

Art. 69 und 80 SchKG. Keine Nichtigkeit des Zahlungsbefehls, wenn darin die Periode für die in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge nicht angegeben ist. Für die Verrechnung im Rahmen der definitiven Rechtsöffnung genügt es nicht, wenn der Schuldner urkundlich belegt, dass er mehr bezahlt hat, als wozu er verpflichtet gewesen wäre.



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Die Vorinstanz erteilte die definitive Rechtsöffnung für gerichtlich zugesprochene Unterhaltsbeiträge. Der Gesuchsgegner erhob dagegen Beschwerde und machte geltend, die Rechtsöffnung hätte nicht erteilt werden dürfen, zum einen weil im Zahlungsbefehl nicht angegeben worden sei, für welche Periode die in Betreibung gesetzte Unterhaltsforderung geschuldet sei, und zum andern weil er urkundlich belegen könne, dass er mehr bezahlt habe, als wozu er verpflichtet gewesen wäre. Wenn die Gesuchstellerin behaupte, es habe sich dabei um freiwillige Zahlungen gehandelt, verhalte sie sich krass rechtsmissbräuchlich. Seinen Einwand des Rechtsmissbrauchs habe die Vorinstanz zu Unrecht überhaupt nicht geprüft. Das Obergericht gab dem Gesuchsgegner im letzten Punkt Recht, wies die Beschwerde aber dennoch ab.



Aus den Erwägungen:



5.1. Der Gesuchsgegner macht vorab geltend, die Rechtsöffnung hätte nicht erteilt werden dürfen, weil sich weder aus dem Betreibungsbegehren noch aus dem Zahlungsbefehl der Grund der in Betreibung gesetzten Forderung mit der nötigen Klarheit ergebe. Bei periodischen Forderungen wie zum Beispiel Alimentenschulden sei im Betreibungsbegehren und im Zahlungsbefehl der Zeitraum genau anzugeben, für den die in Betreibung gesetzte Forderung angeblich geschuldet sei. Fehle diese Angabe wie hier, sei der Zahlungsbefehl nichtig und die Rechtsöffnung dürfe nicht erteilt werden. Hinzu komme, dass die Gesuchstellerin diesen Einwand nicht bestritten habe, was die Vorinstanz in Verletzung der im Rechtsöffnungsverfahren geltenden Verhandlungsmaxime übersehen habe.



Letzterer Einwand ist schon deshalb unbehelflich, weil der Gesuchsgegner selber einräumt, dass der Richter die Nichtigkeit des Zahlungsbefehls von Amtes wegen zu berücksichtigen habe (vgl. auch Staehelin, Basler Komm., 2. Aufl., Art. 84 SchKG N 50). Hier hat der Gesuchsgegner bereits im vorinstanzlichen Verfahren die Nichtigkeit des Zahlungsbefehls wegen Fehlens wesentlicher Angaben geltend gemacht. Die Vorinstanz hat diesen Einwand geprüft und kam zum Schluss, die fragliche Vorschrift sei im Hinblick auf die Bestimmung der Fälligkeit von Bedeutung. Das Fehlen dieser Angaben führe nicht zur Nichtigkeit, sondern könne zur Abweisung des Rechtsöffnungsbegehrens führen.



Diese Erwägung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Zwar vertritt Daniel Staehelin im Basler Kommentar (a.a.O., Art. 84 SchKG N 50) die Ansicht, der Rechtsöffnungsrichter habe bei periodischen Leistungen von Amtes wegen zu prüfen, ob im Betreibungsbegehren und Zahlungsbefehl der Zeitraum, für welchen die Forderung geschuldet sei, genau bezeichnet werde, doch folgert er soweit ersichtlich aus dem Fehlen dieser Angabe nicht die Nichtigkeit des Zahlungsbefehls (vgl. auch Wüthrich/Schoch, Basler Komm., 2. Aufl., Art. 69 SchKG N 39; Peter Stücheli, Die Rechtsöffnung, Zürich 2000, S. 93 f., 189), was auch nicht der Praxis des Obergerichts entsprechen würde. Entsprechend der Praxis des Obergerichts des Kantons Aargau genügt es (AGV 2001 Nr. 7 S. 46), wenn sich aus dem gesamten rechtzeitig eingebrachten Prozessstoff eindeutig ergibt, für welche Periode die Betreibung eingeleitet worden ist, auch wenn diese im Zahlungsbefehl nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Der Rechtsöffnungsrichter (und der Betriebene) muss überprüfen können, ob die in Betreibung gesetzte Forderung mit der Forderung, für welche die Rechtsöffnung verlangt wird, identisch ist. Im Betreibungsbegehren und im Zahlungsbefehl ist als Grund der Forderung "Entscheid Obergericht des Kantons Luzern vom 12.10.2010" angegeben. In Verbindung mit dem Gesuch und der aufgelegten Korrespondenz zwischen den Parteien konnte die Vorinstanz (der Gesuchsgegner allein schon mit Hilfe der Korrespondenz) mühelos die in Betreibung gesetzte Forderung nachvollziehen. Die Vorinstanz ist daher zu Recht nicht von einer Nichtigkeit des Zahlungsbefehls ausgegangen.

(...)



8.- Richtig ist hingegen der Einwand, die Vorinstanz hätte den Einwand des Rechtsmissbrauchs prüfen müssen. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 2. Abs. 2 ZGB) ist ein übergeordneter Rechtsgrundsatz und ist bei der gesamten Rechtsanwendung zu beachten (vgl. auch LGVE 2002 I Nr. 52). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist einzelfallweise in Würdigung der gesamten Umstände zu bestimmen, wobei die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs zu beachten sind. Zu diesen Gruppen gehört die Rechtsausübung, die im Widerspruch zu einem früheren Verhalten steht und dadurch erweckte berechtigte Erwartungen enttäuscht (BGE 129 III 493 E. 5.1 S. 497 mit Hinweisen). Bei völlig unvereinbaren und deshalb widersprüchlichen Verhaltensweisen kann auch ohne Enttäuschung berechtigter Erwartungen ein Rechtsmissbrauch vorliegen (Urteil des Bundesgerichts 4C.202/2006 vom 29.09.2006 E. 3.1 mit Hinweisen).



8.1. Der Gesuchsgegner trägt vor, indem die Gesuchstellerin geltend mache, bei den aufgeführten Zahlungen in Höhe von Fr. 37'000.-habe es sich nicht um anrechenbare Unterhaltszahlungen gehandelt, sondern um zusätzliche freiwillige Zahlungen, verhalte sie sich krass rechtsmissbräuchlich, weil sie sich in früheren Verlautbarungen selbst wiederholt auf die besagten Zahlungen berufen und diese explizit als Unterhaltszahlungen bezeichnet habe. Sie habe ihn zudem zur Zahlung dieser Unterhaltsbeiträge aufgefordert und ihm für deren Ausbleiben unmissverständlich mit rechtlichen Konsequenzen gedroht.



8.2. Es ist urkundlich belegt, dass die Gesuchstellerin zwischen dem 27. Juni 2008 und 2. März 2009 vom Gesuchsgegner Zahlungen von Fr. 37'000.-erhalten hat. Der urkundliche Nachweis, dass der Schuldner dem Gläubiger bei periodischen Leistungen mehr bezahlt hat, als wozu er verpflichtet gewesen wäre, reicht für die Verrechnung im Rahmen der Rechtsöffnung indes nicht aus (Stücheli, a.a.O., S. 238). Denn damit ist noch nicht nachgewiesen, dass der Schuldner im entsprechenden Umfang eine verrechenbare Gegenforderung erworben hat. Die Gegenforderung kann nur berücksichtigt werden, wenn sie ihrerseits durch ein gerichtliches Urteil im Sinne von Art. 81 Abs. 1 SchKG durch eine vorbehaltlose Anerkennung der Gegenpartei belegt ist (BGE 115 III 97 E. 4 S. 100). Das ist hier nicht der Fall.



Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass die Möglichkeiten des Schuldners zur Abwehr im Verfahren der definitiven Rechtsöffnung eng begrenzt sind und der definitive Rechtsöffnungstitel nur durch einen strikten Gegenbeweis entkräftet werden kann. Gelingt ihm dies nicht, kann das Rechtsöffnungsgesuch nur bei völlig liquiden Verhältnissen unter Berufung auf das Rechtsmissbrauchsverbot zu Fall gebracht werden (vgl. LGVE 2002 I Nr. 52). Von liquiden Verhältnissen kann hier indes nicht die Rede sein. Zwischen den Parteien ist streitig, wie die Zahlungen von Fr. 37'000.-zu qualifizieren sind, als anrechenbare Unterhaltszahlungen, wie der Gesuchsgegner behauptet, als freiwillige Zahlungen, wie die Gesuchstellerin behauptet. Auch wenn die Gesuchstellerin diese Zahlungen in früheren Verlautbarungen als Unterhaltsbeiträge bezeichnet hat, folgt daraus nicht ohne Weiteres, dass diese an die gerichtlich zugesprochenen Unterhaltsbeiträge anzurechnen sind. Vielmehr stellen sich materiellrechtliche Fragen, über die nicht der Rechtsöffnungsrichter, sondern der Sachrichter zu befinden hat. (...) D[em] Gesuchsgegner (...) bleibt (...) wohl nur noch der Rückforderungsprozess. Dort wird allenfalls die Frage des Rechtsmissbrauchs zu prüfen sein.



2. Abteilung, 29. August 2011 (2C 11 31)

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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